Mittwoch, 13. Januar 2010

(2) CHRIS VOGEL DIE KUNST DER ENERGIENUTZUNG – WIE SIE DURCH PUSH HANDS GELEHRT WIRD

Hi taiji-spieler!
Du weisst: taiji ist eines jener kulturgüter, die mehr werden, wenn man sie mit anderen teilt, und nicht weniger.
Hier findest du als vorabveröffentlichung eine unautorisierte, aber von Chris Vogel vertrauensvoll genehmigte übersetzung der ersten beiden kapitel seiner "THE ART OF USING ENERGY - AS TAUGHT THROUGH PUSH HANDS".

Das e-book von Chris Vogel kriegst du über folgenden URL:
http://www.applied-tai-chi.com/

Dort lassen sich über SAMPLE die hier übersetzten ersten beiden kapitel des 1. buches herunterladen (nebst fotos), sowie 4 der videoclips ansehen.
Über ORDER kannst du die vier bücher nicht nur einzeln oder zusammen bestellen, sondern auch die detaillierten inhaltsverzeichnisse inklusive auflistung der fotos und videos einsehen.
Das gesamte e-book ist – mit 100 % geld-zurück garantie – für umgerechnet weniger als 30 euro erhältlich.


***



CHRIS VOGEL
DIE KUNST DER ENERGIENUTZUNG –
WIE SIE DURCH PUSH HANDS GELEHRT WIRD

INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNGEN
VORWORT

BUCH 1 STEHEN, KONTAKT UND VERBINDUNG
Kapitel 1 Grundregeln und einige Gedanken
Kapitel 2 Die Grundlage für jede innere Kampfkunst
Kapitel 3 Kontakt
Kapitel 4 Verbindung und Qi-Ball

BUCH 2 ZIELEN, (KONTAKT)PUNKT UND NEUTRALISIERUNG
Kapitel 5 Zielen
Kapitel 6 Der (Kontakt)Punkt
Kapitel 7 Neutralisierung

BUCH 3 SCHULTERN, (DRUCK)BALANCE, ELLBOGEN, AN-POWER UND INTENTION
Kapitel 8 Schulter/Arm-Beziehung
Kapitel 9 (Druck)Balance
Kapitel 10 „AN“-Power
Kapitel 11 Ellbogen
Kapitel 12 Intention

BUCH 4 ALLES ZUSAMMEN
Kapitel 13 Alles zusammen

*
DANKSAGUNGEN


An dieser stelle möchte ich den vielen lehrern dank sagen, die zu dem beigetragen haben, wo ich heute stehe.
DENNIS LERI, ein außergewöhnlicher renaissance-mensch, der mich zum taiji geführt und mich auf den weg gebracht hat.
Sifu (lehrmeister) DONNE BOONE, mein erster taiji-lehrer, der meine begeisterung für diese erstaunliche kunst erkannt und kanalisiert hat. Auch für seine freundschaft über all die jahre.
Sifu GEORGE XU, für sein beispiel grenzenloser energie und hingabe an das beste.
Sifu ZHANG XUE XIN, für seine geduld und kultivierung meiner taiji-fertigkeiten.
Sifu LI SHU DONG, für seine inspiration und vortrefflichkeit in vielen fertigkeiten, für sein konstantes beispiel der schönsten und anmutigsten formen, die ich je gesehen habe.
Den sifus ZHU TIAN CAI, CHEN ZHANG LEI, CHEN XIAOWANG und WANG XIAN, für ihre reisebereitschaft und dass sie mich daran haben teilhaben lassen, wie es sich anfühlt, wenn man einen hochentwickelten praktizierenden berührt.
Sifu REN GUANG YI dafür, dass er mich an seinen fähigkeiten und seiner power partizipieren hat lassen.
Sifu YAN YUANHUA für seine offenheit und sein wissen.
Sifu JIM PIERI, meinem gegenwärtigen lehrer. Einer der sehr wenigen auf diesem planeten, der „es weiß und zeigt“. Auch für seine unendliche geduld auf uns beim herumtasten und -tappen mit diesen fertigkeiten und energiekonzepten aufzupassen. Ohne ihn wäre ich weit weg von dem wo ich heute bin.
Sifu PATRICK AU, sifu jims lehrer, dafür dass der diesen „energie stoff“ ausgearbeitet hat und jim unterrichtet hat, so dass dieser mich hat unterrichten können.
Sifu CAI SONGFANG, dafür dass er in die usa gekommen war, um sein energie-wissen zu teilen, und patrick inspiriert hat, sich dessen studium zu widmen.


*
VORWORT


„Ich habe 16 jahre lang taiji studiert. Was chris in seinem unterricht und in diesem buch mit-teilt ist der „wirkliche stoff“. Die geheimnisse werden „enthüllt“ und die mysterien „enträtselt“. Das ist der stoff, den sehr, sehr wenige lehren, und wenn sie es tun, dann nur sehr wenigen auserwählten. Das material, das dieses buch enthält, ist nicht aufgemotzt und sexy, es funktioniert lediglich. Es handelt sich um die innenseite des taiji, die energie. Gewiss hätte ich mir gewünscht, dass ich darüber früher etwas herausgefunden hätte“


kising lopez, langjähriger taiji-schüler und sifu (lehrmeister).


*
EINFÜHRUNG


Möchtest du dein taiji auf die „nächste stufe“ heben? Hast du das gefühl, dass in deiner täglichen übungspraxis etwas fehlt, etwas das sich gerade noch außerhalb deines fassungsvermögens befindet? Lernst du eine form nach der anderen, ohne das gefühl, jemals fähig zu werden, du könntest die vielen jahre des fleißes wirklich „nutzen“?

Wenn deine antworten auf alle diese fragen JA lauten, dann ist dieses buch etwas für dich.

Ich begann mit meiner taiji-übungspraxis im jahr 1990. Mein erster lehrer war spezialisiert auf das unterrichten von anfängern. Er erkannte schnell meine begeisterung für taiji und schickte mich zu seinem lehrer, einem ziemlich berühmten sifu (lehrmeister), der oft in verschiedenen taiji-magazinen vertreten war. Als taiji-neuling erwartete ich herausforderung, aber ich war mehr als herausgefordert, ich war tatsächlich ziemlich verloren.

Nach ein paar monaten in denen ich mich verloren fühlte, wechselte ich den lehrer und ging zu einem anderen bekannten sifu, der mehr über eine organisierte lehr-methodologie verfügte. Die kursgruppen waren sehr groß und er akzeptierte anfänger gern. Bei diesem sifu arbeitete ich an einer einzigen form 4 jahre lang und es wurde offensichtlich, dass das wahrscheinlich alles sein würde, was ich je lernen würde. So oft es mir möglich nahm ich an den wöchentlichen nacht-sessions jener mysteriösen praxis teil, die „push hands“ genannt wurde. Auf diesen treffen machten wir ein oder zwei übungen. Selten, dass irgendjemand irgendetwas hätte erklären können. Der sifu pflegte herumzulaufen und gelegentlich gab er jemandem einen großen und schnellen schubser, warf ihn um, lachte und wanderte weiter zum nächsten paar.


An diesem punkt dämmerte in mir das gefühl, dass ich fleißig arbeitete, aber nicht besser wurde. Ich wurde der jeweils anderthalbstündigen hin- und rückfahrten und der immer teurer werdenden gebühren für privatstunden überdrüssig; ich beschloss, nach einem lehrmeister in meiner eigenen stadt ausschau zu halten. Ich verzweifelte für eine weile und probierte ein paar aikido-kurse mit verschiedenen lehrern, aber keiner von denen fühlte sich nach dem an, was ich suchte.


Nach ein paar monaten hörte ich von einem taiji-großmeister, der in die stadt gekommen war und nun in einem örtlichen park unterrichtete. Ich fand ihn, vereinbarte eine privatstunde und war von seiner formarbeit und seinem unterricht sehr beeindruckt. Ich hatte wieder einen begeisternden, neuen sifu. Während der 7 jahre bei meinem letzten lehrmeister lernte ich eine anzahl von formen und hatte das gefühl, dass sich meine taiji-fähigkeiten beträchtlich verbesserten. Während dieser jahre kam eine anzahl von alt-großmeistern aus china in unsere schule und gaben workshops, davon viele zum thema push hands. Diese workshops bestanden fast immer aus ein oder zwei push hands übungen und einigen seidenübungen. Wer das „glück“ hatte, den lehrer zu berühren, empfing oft eine demonstration in sachen chinna (hebeltechnik), wandt sich am boden und fragte sich, ob seine bänder bleibend beschädigt sein würden. Nach 7 jahren bei meinem gegenwärtigen sifu hatte ich das gefühl, dass mein taiji besser war. Ich übte etwas qigong, was meinen formen diente, aber immer noch hatte ich das gefühl, dass ich mich immer noch in demselben laufrad befand, ich rannte mit ausdauer auf der stelle und kam dem ziel nicht näher. Die großmeister die in unserer schule vorbeikamen, waren klar viel besser als ich. Sie waren „verbunden“ und hatten viel mehr power als ich. Sie konnten mich „herumwerfen“. Was hatten sie, was ich nicht hatte? Wie haben sie es sich angeeignet? Fehlte etwas in meiner übungspraxis oder war es lediglich eine frage der zeit?


Um diese zeit herum traf ich meinen jetzigen sifu und wie ich glaube lehrmeister für den rest meines lebens. Er suchte nach jemandem, mit dem er push hands üben konnte und kam in die gegend meiner schule. Da ich ständig versuchte, mein push hands-level anzuheben, gab ihm jemand meine nummer und wir trafen uns. Er machte nicht irgendwas phantastisches, kannte keine taiji-formen, machte nicht schnell und setzte auch keine power ein. Aber er war nicht zu stoppen. Egal wo er mich berührte, war meine wurzel verschwunden und ich war weg. Es ging so langsam und sachte; es war kaum zu glauben, aber ich konnte es nicht stoppen. Er konnte mich berühren, mir sagen, wo ich festgefahren war und was ich machen müsse, um besser zu werden. Endlich hatte ich jemanden getroffen, der die „innenseite‟ des taiji kannte und es tatsächlich auch lehren KONNTE und WOLLTE. Meine Suche war vorbei.


Bei diesem buch handelt es sich um meine interpretation von dem, was ich gelernt habe und ich habe es  auf drängen eines meiner „aufgeklärten/erleuchteten‟ push hands-partner
niedergeschrieben. Ich habe das material in – wie ich glaube – verdauliche kapitel heruntergebrochen. Manches von den worten mit denen ich zu beschreiben versuche, was beim push hands geschieht, kommt von meinem lehrer. Dank für seine geduld und sein unterrichten. Viel von diesem buch stammt aus meiner eigenen erfahrung und meiner option, diesen erstaunlichen prozess zu beschreiben. Ich glaube, dass das, was du in diesem und den folgenden büchern findest, einzigartig in der welt des taiji ist. Auch glaube ich, wenn du dem material folgst und häufig übst, wirst du feststellen, wie sich deine fähigkeiten über deine erwartungen hinaus verbessern.

Sei dir im klaren, dass die themen ALLER dieser kapitel im spiel sind, wann immer du push hands praktizierst. Persönlich kann ich nur ein oder zwei themen gleichzeitig zur vorderseite meiner aufmerksamkeit bringen, aber alle diese themen kommen simultan zur anwendung.


In jedem kapitel habe ich eine kleine „perle“ der weisheit mit-geteilt. Es mag vielleicht eine geschichte sein, eine metapher oder etwas information, von der ich glaube, dass du sie hilftreich finden wirst.


Wenn du das buch durchgehst, sei dir im klaren, dass du im zweiten durchgang noch mehr herausholst. Stelle dir den prozess vor als würdest du schalen von einer zwiebel entfernen. Schließlich gelangst du zur mitte.


Denke daran, dass ich wörter benutze, um einen sensorischen lernprozess zu beschreiben. Beschreibungen von empfindungen werden oft am besten verstanden, wenn mehrere, geringfügig verschiedene beschreibungen für dieselbe sensorische erfahrung herangezogen werden. Darum wirst du an verschiedenen stellen in diesem buch wiederholungen mit leichten variationen finden.


Wenn du dieses buch nutzt, um dein level im push hands zu verbessern, solltest du dich in zweierlei üben: VERTRAUEN und GEDULD.


Suche einen hingebungsvollen übungspartner, praktiziert um was neues zu lernen statt einander herumzuschubsen, und mit der zeit werden sich euer push hands, eure formen und generell eure taiji-fähigkeiten dramatisch verbessern.

Viel glück und spaß!


***
BUCH 1
STEHEN, KONTAKT UND VERBINDUNG
*
KAPITEL 1
GRUNDREGELN UND EINIGE GEDANKEN

*
DAS ZIEL


Was ist dein ziel, weswegen du mit dieser übungspraxis anfängst? Sind es gesundheitsgründe, willst du deine formen verbessern, willst du dein jahrelanges taiji-training wirklich anwendbar machen? Was heißt das für dich, deine vielen jahre des trainings „anzuwenden“? Heisst das für dich kampfanwendung? Dich oder andere zu heilen? Selbstverteidigung? Oder was sonst?

Für mich bedeutet es, dass dir alle diese kräfte (peng, lü, ji, an usw.) zur verfügung stehen, wenn du jemanden wirklich BERÜHRST. Ich bin auf viele leute getroffen, die wunderschöne formen laufen können, aber wenn ich sie berühre, sind sie nicht in der lage, das, was sie in ihren formen machen, ins spiel zu bringen. Ihre energie kommt „hoch“, sie werden fest, weil sie muskelkraft einsetzen, sie strengen sich an und stoßen oder ziehen ihrerseits, verlieren was auch immer sie an wurzel und zentrallinie hatten, und sind leicht entwurzelt.


Taiji-anwendung heißt, du BERÜHRST jemanden
und alle deine fähigkeiten stehen dir zur verfügung

*
NICHT DER DUNKLEN SEITE VERFALLEN


Das erlernen der kunst der energienutzung ist eine reise. Um bei dieser reise mitzumachen und sie fortzusetzen, musst du die „dunkle seite“ des push hands vermeiden. Von der „dunklen seite“ wird man leicht verführt, wenn das level der übungspartner niedriger ist und/oder wenn man im verhältnis zu den partnern ziemlich groß und stark ist. Was ist das, die „dunkle seite“? Der dunklen seite verfallen heißt, wenn man in die falle von schnelligkeit und äußerer kraft tappt. Die falle besteht darin, dass schnelligkeit und kraft  tatsächlich funktionieren, wenn du groß und stark bist und/oder deine trainingspartner über ein geringeres level verfügen. Du kannst deine partner herumschubsen. Das problem besteht allerdings darin, dass du dich so nicht verbesserst. Gegen jemanden mit einem höheren level funktionieren deine schnelligkeit und deine kraft nicht. Wenn du kraft und schnelligkeit nicht sein lassen kannst, könntest du auch eine andere kunst praktizieren. So einfach ist das. Einer der ecksteine beim erlernen der energienutzung besteht darin, seine sensitivität zu verstärken. Das geht nur LANGSAM. Die meisten leute können sich was darunter vorstellen, wenn von schnelligkeit die rede ist. Aber wie steht es mit „kraft“? Wenn ich „kraft“ sage, meine ich muskel(kraft). In diesem buch versuche ich dir zugänglich zu machen, wie man energie aufbaut, bewegt und nutzt. Darum geht es in diesem buch. Das bedeutet nicht, dass du nie schneller machen kannst oder dass du nie leute „herumwerfen“ wirst. Es heißt nur: wenn du daran arbeitest, etwas zu lernen, es wirklich zu fühlen, es dir wirklich anzueignen, dann musst du langsam machen. Wenn du und dein partner euch bewusst dafür entscheidet, ein bisschen das tempo zu erhöhen, um etwas von dem zu testen, was ihr gelernt habt, ist das bestens, solange ihr bewusst die entscheidung trefft, und wenn ihr dann für den lern-modus wieder zu einer langsamen geschwindigkeit zurückkehrt. Wenn sich deine fähigkeiten verbessern, wird es sich immer schnell „bewegen“. Nur gegenwärtig besteht die bewegung aus fast unsichtbaren verschiebungen und veränderungen deines „inneren“ und maßgeblich ist auch wie schnell du die energie deines partners spüren kannst und wie schnell du glaubst deine energie umwandeln zu können. Wenn sich diese konzepte ganz schön kraus und verschwommen anfühlen, entspanne. Sie werden schon klarer mit der zeit.


Einer der ecksteine beim erlernen der energienutzung besteht darin, seine sensitivität zu verstärken. Das geht nur LANGSAM.

*
ALLEIN GEHT ES NICHT

Finde einen hingebungsvollen, interessierten partner, den es begeistert das zu üben, was dieses buch anzubieten hat. Zwei oder drei partner sind noch besser. Wenn du immer mit demselben partner übst, kannst du in „ausgefahrene geleise“ geraten, sodass deine herausforderungen ein bisschen „eng“ und eingeschränkt werden. Mit anderen worten: wenn du „A“ machst, antwortet er immer mit „B“. Falls du nur einen partner findest, bemühe dich darum, die begegnungen „frisch zu halten“ und immer nach neuen möglichkeiten ausschau zu halten.

*
HABE GEDULD
 
Die kunst der energienutzung zu erlernen erfordert gleichermaßen hingabe und ZEIT. Unter zeit verstehe ich nicht 6 stunden täglich. Ich meine damit: übe, dass du jeden tag lernst. Es ist wie wenn du jeden morgen ein paar cent in dein sparschweinchen wirfst. So wirst du nicht schnell reich, aber nachdem du das einige zeit konsequent gemacht hast, siehst du wie dein „guthaben“ ständig wächst.

Energetisches lernen ist wie jeden tag ein paar cent in ein sparschweinchen werfen. Mit der zeit sammelt sich schon ein guthaben an.

*
STOSSEN ODER KLEBEN

Bisher habe ich den begriff „push hands“ (stoßende hände) verwendet, weil dieser begriff am vertrautesten ist, wenn man sich mit den aktivitäten beschäftigt, die in diesem buch beschrieben sind. „Push hands“ ist eigentlich eine falsche bezeichnung. Die besten push hands spieler „stoßen“ eigentlich nie jemanden. Die leute sehen so aus als würden sie gestoßen, weil sie sich infolge des kontakts mit einem anderen bewegen. Ein genauerer begriff zur beschreibung von dem, was die leute da tun, wäre „sticky hands“ (klebende hände). Du klebst an jemandem. Wenn du „ihn findest“ und spürst, wo er nicht (präsent) ist, kannst du deine energie in einer weise gebrauchen, dass es ihn berührt und bewegt. Für den „pusher“ fühlt sich ein guter „push“ mühelos an. Für die „gepushte“ person fühlt sich ein guter „push“ weder gewalttätig noch kräftig an. Ihre wurzel und balance wird ihnen genommen und sie müssen ihre füße bewegen oder sie fallen hin. Wie man diese erstaunliche „nummer“ ausführt, ist kern dieses buches. Ich werde weiterhin das wort „push“ gebrauchen bis mir ein einzelnes wort einfällt, das besser beschreibt was wirklich geschieht.

Die besten push hands-spieler pushen eigentlich nie jemanden. Sie nutzen die energie ihrer  partner gegen diese selbst, aber sie „stoßen mit ihnen nicht zusammen“ und üben auch keine kraft aus.

*
VERLIERE DEIN GESICHT

Die meisten leute mögen nicht gepusht werden. Es fühlt sich an als würde man geschlagen, besiegt, oder man habe verloren. Das gilt besonders für push hands-spieler, die sich selbst für besonders hochrangig einschätzen. Und das gilt ganz besonders für taiji-lehrer. Wenn sie „herumgeschubst“ werden, „verlieren sie das gesicht“. Lehrer haben es nicht gern, das gesicht zu verlieren. Sie verlieren womöglich den respekt ihrer schüler und so das geld, das sie machen, wenn sie welches von ihren schülern erheben. Wenn du jemand bist, der nicht gern „das gesicht verliert“, aber dennoch das lernen willst, was dieses buch zum inhalt hat, so übe doch mit einem partner im privaten rahmen.

Mache dir klar, du machst das, um etwas zu LERNEN, und nicht, um etwas zu BEWEISEN. Wenn ich jemand finde, der mich „herumschubsen“ kann, denke ich, das ist eine hervorragende gelegenheit, etwas zu lernen. Ich bitte sie, dieselbe bewegung immer und immer wieder auszuführen, bis ich sie neutralisieren kann. Wenn sie zu schnell sind als dass ich davon lernen könnte, bitte ich sie, langsamer zu machen. Wenn sie nicht verlangsamen können oder wollen, ist es zeit, sich nach einem anderen partner umzusehen. Wenn das, was sie machen nur mit schnelligkeit funktioniert, ist es für mich nur eine frage der übungszeit, bis das nicht mehr funktioniert.

*
MUSS ICH "FORTGESCHRITTENER" SEIN FÜR DAS ENERGETISCHE LERNEN?

Die antwort lautet: NEIN. Jeder kann das lernen. Sicherlich dürfte eine vieljährige übungspraxis in einer inneren kampfkunst hilfreich sein. Man müsste dann eigentlich mehr werkzeuge und eine bessere grundlage haben. Ich sage, „müsste“, weil solche leute haben auch viele schlechte angewohnheiten und sind in eingeschliffenen bahnen des immer selben festgefahren. Ein relativer neuling ist auch ein unbeschriebenes blatt. Nach meiner erfahrung hochschätzen altgediente taiji spieler das material in diesem buch wirklich. Es ist das, wonach sie gesucht haben und was ihnen in ihrer praxis über viele jahre hinweg gefehlt hat. Manchmal wird auch ein neuerer taiji-spieler das gefühl haben, dass es das ist, wonach er sucht. Bis jetzt habe ich keinen taiji-spieler getroffen, der die kunst der energienutzung nicht wertschätzen würde. Die veteranen werden am meisten angeregt.


*
DIE HERAUSFORDERUNG

Die Herausforderung beim schreiben dieses buches bestand für mich darin, dass es für mich viel leichter ist, jemanden etwas fühlen zu lassen, als es zu beschreiben wie es sich anfühlt. Bei einer äußeren (kampf)kunst kann man zeichnungen anfertigen, fotos machen oder sogar kleine videos einsetzen, um tritte und fausthiebe zu zeigen. Bei einer inneren (kampf)kunst, die energie lehrt, stellt sich die sache ein bisschen verzwickter da. Es findet alles im inneren statt. Es ist liegt an mir, diesen geheimnisvollen inneren stoff mehr und mehr zu enträtseln, bis er schließlich der deine ist.

Genug bedacht. Lasst uns anfangen.


***

KAPITEL 2  
DIE GRUNDLAGE FÜR JEDE INNERE KAMPFKUNST

*
DER GOLDENE SCHLÜSSEL

Der schlüssel und eckstein für das taiji wie jeglicher inneren kampfkunst ist die tägliche praxis des „stehens“. Im taiji-jargon wird die übung, die ich beschreiben möchte, als qigong etikettiert. Stehen entwickelt eine wurzel, baut innere energie auf, schafft eine brauchbare struktur, verschlankt die „linie“, und trägt insgesamt zu einer guten gesundheit bei. Wenn du über die allerersten grundstufen einer inneren kampfkunst hinauskommen willst, so geht das nur durch „stehen“ auf regelmäßiger basis.


Mechanisch gesehen ist stehen sehr einfach. Du stehst einfach da. Für die meisten leute ist die herausforderung beim stehen die erfordernis den fokus auf sich selbst zu richten und seine aufmerksamkeit da zu halten. In einer hinsicht ist stehen vielen formen der meditation ähnlich. Du musst deine aufmerksamkeit immer wieder auf dich selbst zurückbringen. Es unterscheidet sich von meditation dadurch dass du auf andere dinge fokussierst.


Wenn du über die allerersten grundstufen der inneren kampfkunst hinauskommen willst, musst du auf regelmäßiger basis „stehen“
.
Der von mit empfohlene steh-„stil“ ist der einfachst mögliche. Es gibt einen grund hierfür. Der stil, den ich von dir zu üben verlange, verschafft dir die beste verbindung zum boden in der kürzesten zeit. Er entwickelt auch die insgesamt beste struktur. Wenn du gewohnt bist, etwas anderes zu machen als ich beschreibe, lege es für eine weile beiseite und praktiziere diese version. Es funktioniert

*
DIE MECHANIK

Suche dir einen relativ friedvollen, ruhigen platz. Achte darauf, dass der boden flach und eben ist und dass du bequeme schuhe an hast.

Beachte, dass ich auf all diesen fotos ziemlich enge jeans trage, so dass man leicht meine körperstellungen sehen kann. Klar, dass das für ein tatsächliches work-out nicht zu empfehlen ist.

  • Zuerst ein kleines warm-up. Knie-, fuß-, hand- und schulter-kreisen; ein paar deiner bevorzugten seidenübungen.
  • Positioniere deine füße gerade aus, etwa schulterbreit auseinander.
    In der qigong-literatur heißt es manchmal, der abstand der füße solle eine fußlänge betragen. Wenn du 3 beine hättest, würdest du die beiden äußeren gerade ausrichten und den dritten fuß im rechten winkel zwischen die beiden anderen.
    Meiner ansicht nach hängt es von deiner knochenstruktur und deinen bewegungsgewohnheiten ab, wie weit genau die füße auseinander stehen sollten. Ich mag es, dass meine etwas weiter als hüftbreit stehen, weil es so für mich am leichtesten ist, mein dantian, meinen unteren rücken und meine kua-bereiche zu entspannen. Dieser abstand wird sich wahrscheinlich mit der zeit verändern. Wichtig ist, dass es „bequem“ ist, weil andernfalls ist es schwer, den fokus der aufmerksamkeit auf was anderes zu richten als auf das, was schmerzt.
Abb. 2.1 Fußstellung zu eng
Abb. 2.2 Fußstellung zu weit
Abb. 2.3 Fußstellung genau richtig

Merke, dass die exakte stehposition von person zu person variiert, abhängig von größe, flexibilität, knochenstruktur, gewicht und persönlicher geschichte.

  • Beuge die knie LEICHT. Sie sollten nicht arretiert sein. Sondern etwa 10-20° gebeugt. Wenn sie viel mehr gebeugt sind, wird deine energie nicht in der lage sein, „in den boden zu sinken“, deine knie ermüden schnell müde und schmerzen – und ziehen deine aufmerksamkeit auf sich. Siehe die fotos.
Abb. 2.4 Knie zu gerade
Abb. 2.5 Knie zu gebeugt
Abb. 2.6 Knie genau richtig
  • Arme nur hängen lassen. Entspanne so gut es dir möglich ist deine finger, handgelenke, ellbogen, schultern und brust. Lass es gerade „hängen“ wie ein skelett ohne irgendeinen muskel. Jeder hat eine etwas unterschiedliche „neutrale“ armstellung, wenn sie entspannt sind. Die folgenden fotos sind nur beispiele.
Abb. 2.7 Arme zu steif und zu weit vorn
Abb. 2.8 Arme zu steif und zu sehr an der seite
Abb. 2.9 Arme hängen nur

  • Ziehe das steißbein ETWAS unter dich. Das bringt deinen unteren rücken dazu, sich ETWAS nach hinten zu wölben und sich flach und lang anzufühlen. Stell dir vor, dass ein gewicht an deinem steißbein hängt. Ziehe dein steißbein nicht so arg unter, dass deine kua eng werden und nicht nicht mehr in der lage bist, „deine energie“ zum boden sinken zu lassen. (Richtig gemacht) ermöglicht es, dass deine brust entspannter und „weicher“ wird. Bei mir ruhen die fingerspitzen sacht an der außenseite meiner oberschenkell. Siehe die fotos.
Abb. 2.10 Unterer rücken zu sehr gerundet
Abb. 2.11 Unterer rücken zu gerade
Abb. 2.12 Unterer rücken gerade richtig

  • Stell dir vor, an einer kette zu hängen, die am obersten scheitelpunkt etwa in der nähe des haarwirbels aufgehängt ist. In manchen schriften wird das als „kopfkrone“ bezeichnet. Diese praxis bringt die kurve in deinem nacken dazu (d.h. die natürliche cervicale lordose) etwas nach außen abzuflachen. Das fühlt sich an, als würde dein kinn zurück gehen. Forciere dieses gefühl aber nicht. Komme nur darauf zurück, wenn du das gefühl verloren hast, am ob ersten scheitelpunkt aufgehängt zu sein. DIESES (hänge)EMPFINDEN IST FÜR DEIN STEHEN SEHR WICHTIG. Lasse den nacken nicht starr werden. Es fühlt sich an wie wenn man am obersten scheitel hängt und NICHT als würde man den nacken nach hinten drücken. Wenn dein nacken starr ist, ist alles, was du bei deinem stehen machst, vertan. Beachte, dass sich die relativen nackenpositionen auf den fotos nicht so sehr voneinander unterscheiden, während der unterschied für das empfinnden des praktizierenden riesig ist. Siehe fotos und video.
Video 2.1 Nackenposition beim stehen

Das gefühl am obersten scheitelpunkt aufgehängt zu sein ist für dein stehen sehr wichtig, für deine formen und deine gesundheit im allgemeinen

Abb. 2.13 Nacken (lordose) „zu“ gerundet
Abb. 2.14 Nacken zu arg nach hinten gedrückt
Abb. 2.15 Nacken bei (am scheitel) aufgehängtem kopf

  • Atme natürlich. Versuche es nicht auf eine besondere weise zirkulieren zu lassen. Kümmere dich nicht um irgendeine zeitabstimmung mit irgendwas. Lass es nur geschehen. Dein körper findet schon heraus, was sich im moment für dich richtig anfühlt. Mit der zeit wird sich dein atmen verändern.

  • Lass es sinken. Suche in dir – während du all die oben aufgelisteten dinge machst – nach stellen, die sich eng, festgefahren oder so anfühlen, als müssten sie unnötigerweise arbeiten. Lass jegliche arbeit zu boden „sinken“. Mit der zeit wirst du feststellen, dass du immer weicher wirst. Es ist beinahe so als würdest du muskuläre anstrengung durch „luft“ ersetzen, die in deinen körper gepumpt wird. Du wirst dich elastisch und beschwingt fühlen, aber auch sehr mit dem boden verbunden.

  • Schaukle ein KLEINES BISSCHEN vor und zurück. Dein gewicht geht dabei nach hinten zu deinen fersen und dann vor zu den fußballen (deine „sprudelnde quellen“). Schaukle nicht zu weit und nicht zu schnell. Die zielsetzung besteht darin, dir während deiner steh-übung permanent eine „frische“ stellung zu vermitteln. Wenn du nämlich eine weile steht, fällt es dir ohne irgendeine form der veränderung in deiner stellung schwer, zu fühlen, wo du festgefahren bist. Das schaukeln liefert den wandel. Gehe die oben aufgelisteten punkte immer wieder durch. Siehe das video.

Video 2.2 Schaukeln beim stehen
Video 2.3 Stehen im durchlauf



*
EINIGE GEDANKEN


Beim stehen stellen sich manche leute die region ihres dantian gern als einen schönen „friedlichen ort“ vor.

Manche haben nach ein paar minuten des stehens die tendenz, auf und nieder zu „dopsen“ oder um ihre zentralachse zu „schwabbeln“. Dies mag sich anfühlen als hättes du einen unsichtbaren „springstock“ in dir. Wenn das passiert, lass es geschehen, und versuche weder es zu stoppen noch es zu fördern.


Bei knieschmerzen fange neu an. Wenn sie anhalten, mach eine pause und versuche es später wieder.


Stehe täglich. Manche leute bevorzugen es morgens zu stehen, andere abends. Wichtig ist eine zeit zu wählen, die bei dir funktioniert, in der du von deinen alltagspflichten frei bist, und die dir jeden tag zur verfügung steht.


Stehe am anfang wenigstens 5 minuten. Wenn du deine Übungspraxis weiterführst wirst du fähig, diese zeit auf vielleicht 30 minuten auszuweiten. Mein leben ist so ausgelastet, dass ich nach ungefähr 15 minuten feststelle, wie meine aufmerksamkeit zu meinen alltagsaktivitäten wandert, und dann stoppe ich an der stelle.


Wenn ich das stehen beendet habe, reibe ich mir sachte den kopf, den nacken, und den rest meines körpers. Das dauert etwa 1 minute. Die vorstellung dabei ist, dass das „festgefahrene“ punkte zu lösen hilft, wenn es irgendwelches festhängendes qi oder bereiche in mir gibt.


Eine sehr wichtige wirkung des stehens besteht darin, dass es eine brauchbare „struktur“ oder rahmen fördert. Wenn du jemanden drückst, der eine gute struktur hat und der deine energie nicht neutralisiert, fühlt sich das stabil und gleichzeitig elastisch an. Er fühlt sich weder steif an, noch fällt er zusammen. In der taiji-literatur spricht man hier oft von „eisen in baumwolle eingewickelt“. Stell dir diese struktur als einen mit qi gefüllten ball vor. Wenn du auf einen großen ball drückst, komprimiert er, aber es drückt auch unaufhörlich auf dich zurück. Später werden wir darüber sprechen, wie man diesen energie-„ball“ benutzt, um sein eigenens zentrum zu verbergen und das des partners zu finden.


Stehen baut eine brauchbare „struktur“ oder „rahmung“ auf. Das ist das „eisen in baumwolle eingewickelt“, wovon du schon gehört hast.

Ich habe einmal an einem workshop bei einem berühmten sifu teilgenommen, der stehen als die „süße tortur“ bezeichnet hat. Für mich fühlt sich stehen gut an, aber wegen meines terminplans, ist es oft schwer, die zeit dafür loszueisen. Aber ich weiß, wozu es gut ist und was es für meine übungspraxis bedeutet, darum nehme ich mir die zeit. Wenn du deine fähigkeiten beim erlernen der energienutzung verbessern willst, wirst du dir die zeit auch nehmen.

***

PS: Übrigends sehr empfehlenswert:
http://www.innere-kraft-64.de/